Die Realschule Ahrweiler hat sich in einem Festakt am Dienstag, 06. Oktober 2009, nach einem der Verschwörer des gescheiterten Hitler-Attentats vom 20. Juli 1944 benannt. Künftig heißt sie “Philipp Freiherr von Boeselager Realschule Ahrweiler”.
Philipp Freiherr von Boeselager hatte in dieser Schule als Zeitzeuge von den Grauen der NS-Zeit berichtet. Der Baron war das letzte lebende Mitglied des innersten Kreises der Hitler-Attentäter vom 20. Juli. Als junger Offizier hatte Boeselager den Sprengstoff für die Verschwörer besorgt. Nach dem Krieg lebte er auf seiner Burg in Altenahr-Kreuzberg im Kreis Ahrweiler, wirkte an der Entwicklung der deutschen Forstwirtschaft mit und starb 2008 im Alter von 90 Jahren.
Landrat Dr. Pföhler erinnerte in seiner Rede an Philipp Freiherr von Boeselager als einen großartigen Menschen und einem großen Mann der deutschen Geschichte:
Bereits als junger Mann von 26 Jahren war von Boeselager ein Mann der Tat, der nicht die Faust in der Tasche ballte, sondern selbst aktiv wurde und sein Leben in äußerste Gefahr brachte. Er wagte mit seinen Gleichgesinnten den „Aufstand des Gewissens“. Aus tiefster christlicher Überzeugung setzte er als junger Wehrmachtsoffizier sein Leben ein für ein besseres Deutschland. Nie wieder Unrecht, nie wieder Krieg und Gewaltherrschaft, nie wieder ein solches Leid, das war das Leitmotiv der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944, als sie „vor der Welt und vor der Geschichte“ ein Zeichen setzen wollten.
Die Erlebnisse und Erfahrungen in der nationalsozialistischen Diktatur haben Freiherr von Boeselager sein Leben lang nicht losgelassen. Das bedeutete aber nicht, dass er gewissermaßen rückwärts gewandt, in der Vergangenheit stehen blieb. Ganz im Gegenteil: All sein Tun war darauf ausgerichtet, die Lehren aus dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte zu ziehen.
Für von Boeselager gehörten zu einer freiheitlichen Demokratie vor allem zwei Dinge:
Erstens, sich einbringen, aktiv beteiligen:
Freiherr von Boeselager gehörte nicht zu denen, die wegschauen. Das zog sich wie ein roter Faden durch sein Leben, etwa beim Aufbau der Bundeswehr oder bei der Gründung des Malteser Hilfsdienstes und vieler seiner Einrichtungen. Der Kreis Ahrweiler hat Ihrem Vater, liebe Familie, sehr viel zu verdanken.
Er war tief in unserer Region verwurzelt, setzte sich für seine Heimat, seine Gemeinde und die Gesellschaft in vielen Funktionen ein. Sein Wort zählte und seine Meinung hatte immer großes Gewicht. In vielen Gremien auf Kreis-, Landes-, Bundes-, sogar auf internationaler Ebene hat er sich insbesondere für den Forst und für die Interessen unserer Waldbesitzer eingesetzt.
Das Zweite war für ihn Zivilcourage. Er wollte seinen persönlichen Beitrag dazu leisten, dass Deutschland nie mehr in eine barbarische Diktatur verfällt. Immer wieder ging er in die Schulen, immer wieder suchte er den Kontakt zur Jugend, leistete wertvolle Aufklärungsarbeit.
So hieß es kurz nach seinem Tod im Nachruf unserer Kreisschulen: „Die jungen Zuhörer seiner unzähligen Vorträge an den Schulen lauschten ihm mit viel Konzentration und hoher Motivation, war er doch einer, der an Vernunft und Christlichkeit appellierte, ohne den jungen Menschen belehrend zu erscheinen.“
Freiherr von Boeselager hat damit einen unschätzbaren Beitrag zur demokratischen Erziehung geleistet. Er forderte unsere Jugend auf, Verantwortung in unserem Staat zu übernehmen. Wer wäre moralisch besser dafür geeignet gewesen, als er. Sein unermüdlicher Einsatz für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung macht ihn zum Vorbild für uns alle und damit auch und insbesondere für die Schülerinnen und Schüler der Realschule Ahrweiler.
Zeit seines Lebens stand für Freiherr von Boeselager sicherlich auch aufgrund seiner tiefen christlichen Überzeugung stets der Mensch im Mittelpunkt. Das war es auch, was alle, die ihn persönlich kannten, besonders beeindruckt hat.
Er steht damit auch und insbesondere für die Vermittlung von Werten für unsere Gesellschaft. In Anbetracht der schnelllebigen Gegenwart und in einer Zukunft in der Kindern und Jugendlichen oft eine Orientierung fehlt, ist die Vermittlung von Werten quasi als Orientierungsgröße unverzichtbar.
Die Schule solle nun die von ihrem neuen Namensgeber vermittelten Werte und Anstöße verstärkt in ihre Bildungsarbeit integrieren. Zählen soll nicht nur der Leistungsgedanke allein. Die Persönlichkeitsentwicklung jeder Schülerin und jedes Schülers und die Wahrnehmung von sozialer Verantwortung sowie das Interesse an einem friedlichen Miteinander sollten dem gleichwertig gegenüberstehen. Die schulische und pädagogische Arbeit dient dem Wohl aller Schülerinnen und Schüler.
Der neue Name „Philipp Freiherr von Boeselager“ solle sich wie ein „roter Faden“ durch die schulische Arbeit der Realschule ziehen, so Dr. Pföhler zum Abschluss seines Grußwortes.
Impressionen vom Festakt:
Unterstufenchor unter Leitung von Annegret Knieps
Realschulrektor Klaus Dünker bei der Begrüßung
Musikalische Intermezzi durch Irmgard u. Johannes Morschhausen (www.chi-la-galliarda.de)
Landrat Dr. Jürgen Pföhler bei seinem Grußwort
Albrecht Freiherr von Boeselager vor dem Bild seines Vaters
Albrecht Freiherr von Boeselager bei seinem Grußwort
Realschulrektor Klaus Dünker bedankt sich bei der Familie von Boeselager
Familie von Boeselager – Ehrengäste des Festaktes
Interessierte Zuhörer bei den Worten von Boeselagers